Simulationsgetriebenes Design eines 3D gedruckten, pneumatisch angetriebenen Leichtbau-Roboters

Aus der Kombination von simulationsgetriebenen Designstrategien und additiven Fertigungstechnologien (Additive Manufacturing – AM) ergibt sich die Möglichkeit, kompakte, leichte und steife Strukturen mit komplexen Geometrien zu entwickeln. Eine vielversprechende Anwendung für diesen Ansatz sind Leichtbauroboter. In diesen komplexen mechatronischen Systemen hat die spezifische Steifigkeit der Strukturbauteile einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Funktion des Gesamtsystems und zahlreiche Baugruppen müssen auf kleinstem Raum untergebracht werden. Allerdings lassen sich gedruckte mechanische Bauteile für Leichtbauroboter nur dann sinnvoll umsetzen, wenn Wissen und Methoden aus Materialwissenschaften, additiven Fertigungstechnologien und der Strukturoptimierung optimal kombiniert werden.

Da es bisher nur wenige Beispiele für gedruckte Roboter oder durchgängige Designstrategien gibt, wurde der Forschungsroboter AM SCARA (Selective Compliance Assembly Robot Arm) als multidisziplinäre Forschungsplattform entwickelt. Dabei wurden das PolyJet™ Verfahren, das Selektives Lasersintern (SLS) und das Selektive Laserschmelzen angewendet.

Außenansicht des AM SCARA – Bildquelle: Festo

Die Entwicklung des Roboters ist dabei Gegenstand eines laufenden Promotionsprojektes am Institut für Polymer Product Engineering (IPPE) an der Johannes Kepler Universität in Zusammenarbeit mit der Festo AG & Co. KG. Eine vorige Version des Roboters sowie alle im PolyJet™ Verfahren gedruckten Bauteile stammen aus dem DIMAP ¹ Forschungsprojekt.

Neben der Konstruktion des Roboters umfasst die Forschungsarbeit die Charakterisierung und Modellierung der verwendeten Materialien, die Struktursimulation und Optimierung sowie die Herstellung und Tests der finalen Bauteile. Ziel des Projektes ist es dabei nicht nur, Kenntnisse in den verschiedenen Disziplinen zu erwerben, sondern die Grundlagen für möglichst durchgängige AM-gerechte Entwicklungsprozesse aufzubauen.

Der AM SCARA ist ein rein pneumatisch angetriebener Roboterarm mit vier Bewegungsfreiheitsgraden. Zur Steuerung der Antriebsmomente sind Piezoventile und gedruckte Luftkanäle in die Roboterstruktur integriert. Die Armsegmente wurden im Selektiven Lasersintern gefertigt und in einem simulationsgetriebenen Ansatz mit Altair Software Lösungen entwickelt. Eines der technologischen Highlights ist der Multimaterial-Greifer mit integriertem Elastomer-Drehantrieb. Der Greifer wurde als ein Bauteil im PolyJet™ Verfahren von cirp ² gedruckt. Durch eine integrierte Vakuumdüse, die über gedruckte Luftkanäle mit vier Vakuumsaugern verbunden ist, lassen sich Nutzlasten von über einem Kilogramm in einem annähernd kreisförmigen Arbeitsraum mit 400 mm Durchmesser bewegen.

Innenansicht des AM SCARA – Bildquelle: Festo

Strukturoptimierung als zentraler Baustein der Mechanikentwicklung

Da es kein vergleichbares System gab, wurde der AM SCARA von Grund auf neu konstruiert. Bereits in ersten Konzeptentwürfen wurden die kinematischen Randbedingungen, die Abfolge der Montageschritte und die Dimensionen der mechatronischen Subsysteme berücksichtigt. Das Konzept wurde in ein CAD Modell übertragen und alle konstruktiven Details, die einen Einfluss auf das Strukturverhalten und die Definition des Bauraums haben könnten, ergänzt.

Nach dem Import der Geometrie des Roboterarms in Altair Inspire™ und des Greifers in Altair HyperMesh™, wurden Finite Elemente Analysen (FEA) als Ausgangsbasis für die bevorstehenden Optimierungen durchgeführt. Dazu wurden mehrere Lastfälle aus einer typischen Pick & Place Anwendung abgeleitet. Am IPPE wurden ausführliche Tests, darunter Zug- sowie Kriech- und Relaxationsversuche mit den verwendeten Materialien durchgeführt. Auf Grundlage der Ergebnisse wurden die Einsatzgrenzen der Materialien ermittelt und entsprechende Materialmodelle kalibriert.

Entwicklungsprozess des AM SCARA – Bildquelle: Festo

Eine Topologieoptimierung der Armsegmente wurde mit dem Ziel der minimalen Strukturnachgiebigkeit unter Einhaltung von Symmetrierandbedingungen und einer Begrenzung des verwendeten Volumens im Designspace durchgeführt. Aufgrund des schichtweisen Aufbaus der Bauteile und der leicht entfernbaren Supportstrukturen im PolyJet™ und SLS Prozess konnte auf zusätzliche Fertigungsrandbedingungen verzichtet werden. Die Gelenke wurden vollständig in Altair Inspire optimiert. Der Greifer wurde unter Einsatz von HyperMesh, Altair OptiStruct™ und Altair HyperView™ optimiert. Dabei spielte jedes der Werkzeuge eine wichtige Rolle im Prozess aus Pre-Processing, Solving/Optimierung und dem Post-Processing der Ergebnisse.

Die optimierten Strukturen wurden mittels PolyNURBS in Altair Inspire nachmodelliert. In einer Re-analyse der PolyNURBS-Geometrie wurden anschließend Dehnungsspitzen ermittelt und durch Anpassung der PolyNURBS vermindert. Abschließend wurden letzte Details, wie beispielsweise gedruckte Gewinde, im CAD modelliert, bevor die Modelle in reale Strukturen umgesetzt wurden.

Anwendung der bisherigen Ergebnisse und zukünftige Forschung

Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme des AM SCARAs – eines voll funktionsfähigen, pneumatisch angetriebenen Roboters, der zu einem großen Teil aus additiv gefertigten Teilen besteht – konnte ein wichtiges Zwischenziel erreicht werden. Aufgrund der gewonnenen Erfahrung zeichnen sich Anwendungsmöglichkeiten der Additiven Fertigung für die Automatisierungstechnik ab. In einem geplanten Forschungsprojekt soll daher die Herstellung von Leichtbaustrukturen und geometrisch komplexen Ventilmodulen mit additiven und konventionellen Fertigungsverfahren verglichen werden. Schon heute können wir mit den gewonnenen Materialdaten und verwendeten Entwicklungswerkzeugen komplexe Funktionsprototypen umsetzen. Dadurch lassen sich pneumatisch-mechatronische Gesamtsysteme in einem frühen Entwicklungsstadium untersuchen. In Zukunft könnte der simulationsgetriebene Entwicklungsansatz in Kombination mit der Additiven Fertigung die Entwicklung von „Tailored Robots“ ermöglichen. In dieser neuen Klasse von Robotern würden Leichtbaustrukturen und Antriebssysteme basierend auf anwendungsspezifischen Optimierungszielen und Randbedingungen erstellt und additiv gefertigt.

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¹ Das DIMAP Projekt wurde im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogrammes Horizon 2020 gefördert (GA 685937) und zwischen 2015 und 2018 durchgeführt.

² cirp GmbH Römerstraße 8, 71296 Heimsheim. www.cirp.de

Gabriel Dämmer

Über Gabriel Dämmer

Gabriel Dämmer ist Doktorand bei Festo und am Institut für Polymer Product Engineering an der Johannes Kepler Universität Linz und hat sich auf das simulationsgetriebene Design von gedruckten polymeren Strukturen spezialisiert. In seinem Studium an der Hochschule Esslingen und Universität Stuttgart wählte Dämmer Schwerpunkte in Kunststofftechnik und Produktentwicklung. Während des EU-geförderten DIMAP Projektes (2015-2018) war Dämmer verantwortlich für die Mechanikentwicklung eines im PolyJet™ Verfahren gedruckten Leichtbauroboters. Aktuell erforscht er die Herstellungs- und Entwicklungsprozesse von additiv gefertigten pneumatischen Aktuatoren und funktionsintegrierten Leichtbaustrukturen.

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